Mittwoch, 11. April 2007

Kurze Zeit später

Leicht betrübt/erzürnt ob des suboptimalen Ergebnisses der Palestra-Recherche ging ich mit dem guten Pepo nach Hause. Vor der Haustür trafen wir auf unseren Nachbarn, einen Libanesen namens Ramses. Jener ist ein recht mondäner Typ, der sich stylish kleidet, unter anderem nach guter italienischer Art mit viel Brusthaar herzeigendem, weit aufgeknöpftem Hemd. Ramses wollte gerade in die Stadt fahren, um sich mit unserem Hausbesitzer zum Abendessen zu treffen und lud uns gleich ein, ihnen Gesellschaft zu leisten. Wir aber wollten nicht mit, stattdessen führte ich Pepo in eine um die Ecke liegende Tavola, ein günstiges Restaurant mit italienischern Küche, aus.
Na aber hallo, das war mal ein Laden!
Doch dazu gleich mehr. Zunächst habe ich den guten Pepo auf dem Weg dorthin noch schnell über Ramses ausgefragt, weil der mich irgendwie neugierig gemacht hatte und der gute Pepo stand mir natürlich wie immer in abwechselnd Italienisch und fiesem Borat-Englisch Rede und Antwort: “Rrramses, he is very riiich, he don’t do anything, not work. Always have very good looking girlfriend and travel very much, now he meet the owner from our house which also don’t work and is very riiich.” Natürlich kamen wir daraufhin darüber ein, dass Ramses wahrscheinlich ein Pharao ist. Ramses, il faraone, heißt er dementsprechend nun jetzt auch in der sich stetig erweiternden Pepo/Pippo-Terminologie.
Dann also bei der Tavola angekommen: Ein herrlich morbider Schuppen. Der Fernseher war sehr laut aufgedreht und alle Gäste hatten sich so hingesetzt, dass sie im idealen Winkel zu selbigem saßen, daher musste ich mich auch neben Pepo und nicht ihm gegenüber hinsetzen. Macht man wohl so in einer Tavola.
Der Besitzer kam dann auch gleich auf uns zu, um unsere Bestellung aufzunehmen. Er war ein älterer Herr von typisch italienischem überstark ausgeprägtem Selbstbewusstsein und auffallend schlechten Zähnen. Auf Pepos Frage nach der Spezialität des Hauses empfahl er uns etwas Schmackhaftes aus Sizilien, denn er war Sizilianer. Etwas Spaghettiges mit Pesto sollte es sein, das er mit folgenden ungefähren Worten anpries: “Wenn Ihr ein wirklich gutes Spaghettigericht mit Pesto (in Wahrheit hat er natürlich den Namen des Gerichtes genannt, den ich aber noch beim Essen wieder vergessen habe) wollt, dann müsst ihr das bei mir essen. Nur bei mir gibt es das in solch einer ausgezeichneten Qualität. Das gibt es in ganz Mailand kein zweites Mal. Nur bei mir.” – Tja, da mussten wir es ja bestellen. War auch wirklich recht gut, und das obwohl es aus der Mikrowelle kam.
Kurz nachdem uns aufgetischt wurde, machte sich der Inhaber, dem, spätestens nachdem er sich uns als Sizilianer offenbart hatte, etwas Patenhaftes anhing, auf, die Kneipe zu verlassen. Dazu legte er sich einen Mantel über die Schultern (er schlüpfte wohlgemerkt nicht ganz hinein) und ich meine mich auch an einen, den semi-majestätischen Eindruck eines Schutzgelderpresserbandenbosses unterstützenden, schmucken Handstock zu erinnern, den er sich auch noch griff. Uns zunickend, ließ er uns noch wissen: “Macht Euch keine Sorgen, meine Kinder sind hier, die bedienen Euch, während ich nicht da bin. Ciao, buona serata!”
Alles klar, da waren wir aber beruhigt, schließlich hatten seine Kinder uns ja schon die ganze Zeit bedient. Seine Kinder waren: 1. Eine pummelige Tochter mit kurzen, fettigen, merkwürdig blond angefärbten Haaren, so als ob sie sich sie erst hatte blondieren wollen und es sich dann aber doch noch anders überlegt hatte und den Färbevorgang mitten drin abgebrochen hätte. 2. Ein unglaublich verpennter Sohn, der aussah, als sei er gerade aus dem Bett gefallen, und ständig vor sich hin gähnte. 3. Der Hauptdarsteller: Maurizio. Ein sehr redseliger Typ, der auch für das Fernsehprogramm verantwortlich war. Troja fing gerade an. Was mir als altem Sprachforscher natürlich gleich auffiel: “Pepo, 'troia' heißt doch auf Italienisch ‘Nutte’, nicht wahr?” – “Richtig, Pippo, wird auch gerne als Schimpfwort verwendet, so sagt man zum Beispiel gerne mal ‘porca troia’, wenn einem etwas nicht behagt” – “Soso, dann ist es doch aber recht witzig, dass der Film so heißt?” – “Richtig, obwohl die Stadt, um die es in dem berühmten Krieg ging, auf Italienisch auch ‘Troia’ heißt, hat man das Problem des Synonyms in Italien allerdings gallant umschifft, indem man es bei dem Film ausnahmsweise mal bei dem Originaltitel, Troy, belassen hat. Vielleicht auch, um eventuelle Hoffnungen, es könnte sich dabei um ein leicht schmuddeliges amouröses Filmchen handeln, gleich von Anfang an die Grundlage zu entziehen.
Zurück zu Maurizio: Er offenbarte sich sogleich als wahrer Cineast und genereller Kenner der Popkultur, indem er uns monologisierend längere Abhandlungen über seine Lieblingsfilme (Titanic, Moulin Rouge) und seine Lieblingsmusiker (Madonna und eine italienische Ausgabe von Celine Dion) hielt. Pepo hielt daraufhin mit seinem Urteil über Maurizio nicht lange hinterm Berg und raunte mir ein “Queer!” zu, allerdings unternahm er doch noch den Versuch der Gegenprobe, als Maurizio über das Musical “Cabaret”, das zur Zeit in Mailand aufgeführt wird, sprach. “Ah”, meinte Pepo, “das findest Du gut, weil da die geile La Hunziker die Hauptrolle hat!” –“Die Hunziker?”, urteilte der Fachmann in Maurizio-Gestalt, “Pah! Mittelmaß!” Nun gut, Paolos These war bestätigt und Maurizio so warm wie die Mikrowellen-Spaghetti mit Pesto.
Das Gute daran war allerdings, dass uns ungefragt noch allerlei Zusatzleckereien auf den Tisch gestellt wurden und auch, dass der Caffe’ und der Verteiler nicht auf der Rechnung auftauchten. Pepo ist übrigens bis heute überzeugt, Maurizio hatte auf mich ein Auge geworfen, dabei hat er ausschließlich mit Pepo geredet. Allerdings über mich. So schlug der Kultur-Experte vor, mit dem Deutschen (mir) in das Dracula-Musical zu gehen, das würde mir wohl gefallen. In Italien heißt es nämlich über den deutschen Musikgeschmack, er sei eine Mischung aus Techno (Scooter und Einsweipolizei sei Dank) und Heavy Metal. Letzteres wohl, weil für den Italiener hinter den Alpen gleich Finnland anfängt. Und da wohnt Maurizio zufolge wohl auch irgendwo Dracula.

Dienstag, 27. März 2007

Palestra die Zweite

Gestern kommt der gute Pepo von seinem wie immer erholsamen Wochenende bei Rita, seiner mamma in Brescia, nach Hause und ich bringe n0ch mal die Fitnesscenter-Frage aufs Tapet: Pepo, hast Du auch die Plakate gesehen, dass die so eine Spezial-Aktion haben mit 99,- für drei Monate? - Ja, Pippo, die haben mir sogar eine SMS geschickt, weil ich ein alter Kunde von dem Fitnesscenter bin, das jetzt von dieser neuen Firma übernommen wurde und diese Spezialangebot anbietet. Interessant nicht wahr? Ich ruf da mal an. Pepo ruft da mal an, stellt sein Mutanten-Hightech-Riesen-Handy/Handheld auf laut und es meldet sich eine junge Dame (ich vermute eine tätowierte): Moin hier ist Pepo, gilt dieses Angebot noch? - (zögernd) Si! Aber ich weiß da nichts drüber, da müsst ihr mit Francesco sprechen und vorbeikommen, das Angebot gilt nämlich nur noch heute! Ok, machen wir, bis gleich. Wir also wieder dahin. Am Empfang diesmal ein fischmäuliger Schwuler mit Zahnklammer und karpfenartigem Gelippe. Hallo, ich bin Pepo und möchte gern mit Francesco über eure Preise sprechen. Ja, Francesco bin ich. Hallo Francesco. Hallo Pepo. Ja, Francesco, gilt denn dieses Angebot (99,- für drei Monate, wie gesagt) noch? - No! - Aha. - AAAber: blabla, dieselbe Scheiße, die schon die Tätowierte erzählt hat (320,- für drei Monate). - Ahahaha, va bene, grazie, grazie mille, Francesco. - Ein fischiges prego, grazie, ciao. - Ciao, grazie. Auf dem Rückweg bin ich mir dann mit Pepo einig, dass dies alles sehr merkwürdig war, sowohl diese komischen Angebote als auch der Mund von Francesco. Außerdem kommen wir darüber ein, dass ich doch mal gucken soll, ob sich nicht in der Nähe meiner Arbeitsstelle ein Fitnesscenter befindet.

Montag, 26. März 2007

Rudimentäre Kenntnisse

So langsam wird es Zeit, an das Aufsuchen einer adäquaten Sprachschule zu denken. Denn mit dem bisher mehr schlecht als recht bewährten Prinzip des Herleitens aus verwandten Sprachen stoße ich leider mittlerweile viel zu häufig an die Grenzen des Verständlichen und bin, tja, mit meinem Latein am Ende. Beispiele gibt es zu Hauf:
Der Mitbewohner ist so eben zur Tür hinaus, um im Supermarkt das Nötigste zu besorgen, da fällt mir ein, es fehlt das Waschmittel im Haus. Also flugs im Universal-Wörterbuch nachgeschlagen und den guten Pepo angerufen und ihm mitgeteilt, er solle doch bitte noch detersivo mitbringen. Aha, soso, tönt es vom anderen Ende der Leitung. Aber welches denn, das für die Waschmaschine oder das für das Geschirr? - Wie? Ach so, kombiniere, in dieser vokabelarmen Sprache nutzt man also für Waschmittel und Geschirrspülmittel das selbe Wort und ist auf zeitraubende Kontexteinbettungen angewiesen. Also blitzschnell nach der Antwort gesucht. Ich habe zwar die Frage in lupenreinem Mikele-Shumaker-Italiano gestellt aber Pepo in Borat-Englisch geantwortet, ich also wieder auf Schumi-Italienisch: Per …äh…(wie hieß das noch auf Spanisch)…ropa...äh (und auf Englisch?)…ropes (nee, das heißt Seil)…allora…vestisi…no..vesititi! Pepo begreift: Ah, per la lavatrice? – Si! (das heißt ja wohl Waschmaschine hoffe ich mal), gut das wäre geschafft. Der nächste Tag:
Nachdem ich mich am Vortag im Fitnesscenter (das übrigens palestra heißt und nicht wie ich angenommen hatte gimnasio, das nämlich gibt es so gar nicht und wird wenn überhaupt mit ginnastica assoziert, was so viel wie Sportunterricht bedeutet) über die Preise informiert hatte und das Gefühl mich beschlich, die junge, knapp bekleidete Dame am Empfang wolle mich, gelinde gesagt übers Ohr hauen, habe ich beschlossen Pepo als consigliere (ein Wort das ich aus dem Paten kannte) mitzunehmen. Vorher hatte er mich natürlich über das palestra im Allgemeneinen und über die dort Sport treibenden Damen im Speziellen ausgefragt. Darauf berichtete ich ihm, die Dame am Empfang habe eine recht gute Figur, sei aber kriminell veranlagt und überdies tätowiert, was mir persönlich halt nicht so gefiele. Nun gut, wir also beide dahin gegangen und die Dame am Empfang (die heute eine züchtige Strickjacke trug) nach den Preisen ausfragen wollen:
Erst einmal ein bißchen Smalltalk, haha, soso, gutgut, worüber wollen wir reden, über Juventus? Häh, nee, Pepo, über die Preise! Ja, also gut, habt ihr ne Preisliste? Nee. Wie nee? Na ja, ich kann Dir das hier auf den Zettel schreiben und gut ist. Was? Na ja, mach halt mal. Und ein Zeugnis vom Arzt, dass er Sport machen darf, braucht der gute Pippo (so nennt mich Pepo immer, ist wohl die Abkürzung für Filippo, Inzaghi wird auch so genannt, ebenso wie ein sehr alter TV-Moderator-Stenz, namens Pippo Baudo, der dieses Jahr zusammen mit La Hunziker das furchtbar kitschige San-Remo-Schlagerfestival moderiert hat) das nicht auch? Neenee, ach was, va bene, va bene così! Aha, also nicht…gut was noch, hmm, Pippo hat ja gestern erzählt, du bist tätowiert. Heute sieht man da ja gar nichts von… WAS, ach du Scheiße, das hast du jetzt nicht gerade gesagt, Pepo! Sie ganz locker, nee heute nicht, oh, er wird ja ganz rot der Kleine!
Auf dem Weg nach Hause, erklärt mir Pepo dann noch: "Pippo, you have to learn to recognize the Napolitano accent! That girl was from Napoli! All criminals in Naples" Gut, das mit dem Kriminellen hab ich auch schon gemerkt, so ein Arztzeugnis ist nämlich schon von Nöten, sonst zahlt die Versicherung nicht und warum auf dem Plakat steht, drei Monate gäb's zum Preis von 99,- die Tätowierte erzählt aber was von 320…nun das war meines Erachtens nach auch bereits ihrer kriminellen Energie geschuldet. Nun gut, nochmals Pepo schnell auf sein ungebührliches Verhalten der jungen Dame gegenüber aufmerksam gemacht: Pepo, so geht das aber nicht, das war aber ganz schön peloso! –"Peloso, Pippo? Alle spalle?" Und zeigt mit seinen Händen auf die Schultern. Häh, was habe ich denn jetzt wieder gesagt? Ich meinte doch peinlich, sei das gewesen, embarrassing, eben. "Ah, Pippo, penoso not peloso." – Peinlich und nicht behaart. In jedem Fall aber haarig. Zumindest die Italienischkenntnisse.

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