Mittwoch, 18. April 2007

Die guten Nachrichten

Das beste an Italien sind nicht die fantastischen Kunstschätze des Landes, das gute Wetter, das ausgezeichnete Essen, der schmackofatzige Espresso oder die atemberaubenden stolzen Schönheiten mit den riesigen Sonnbrillen. Nein. Es sind die Nachrichten.
Nicht so sehr wie sie präsentiert werden, als vielmehr was überhaupt so passiert. In der ersten Woche meines Aufenthaltes in diesem Land war ich noch davon überzeugt, dass ich es auf gar keinen Fall hier bis August überleben könnte, da wahrscheinlich bis dahin die Welt an sich gar nicht mehr existierte. Eine Auswahl der Schlagzeilen, die mir in den ersten Tagen nach meiner Anreise so um die Augen und Ohren geschleudert wurden, lassen meine Furcht vielleicht nicht mehr so unbegründet erscheinen:

- Vulkanausbruch auf Stromboli, verschlingt ein Tsunami Italien?

- Smog-Alarm: Ein Tag in Mailand kommt dem Rauchen von 15 (FÜNFZEHN) Zigaretten gleich

- Smog-Alarm: Autofreier Sonntag in der Po-Ebene

- Mein Favorit in der ersten Woche:
Mailänder Lehrerin schneidet einem Schuljungen die Zunge ab


Dass derselbe Junge einen Tag nachdem ihm angeblich die Zunge coupiert wurde, relativ bumsfidel vor der Kamera mit zensiertem Gesicht ein Interview gibt und dabei nicht mal lispelt, machte mich dann doch etwas stutzig und ich wollte von meinem damals neuen Mitbewohner Dottore Paolo Magrini (Pepo) wissen, wieviel Wahrheitsgehalt denn den italienischen Nachrichten so im Allgemeinen beizumessen sei. Seine Antwort war wieder einmal ein mustergültiges Beispiel seiner schlichten Weisheit: “In Italy nothing is serious because everything is too serious.”

Mit anderen Worten: Die italienische Gelassenheit gegenüber Skandalen, Korruptionen und Katastrophen aller Art bedingt wechselseitig ein immer höheres Maß an ebenjenen in den Schlagzeilen. Hoyzer, Möllemann oder ein paar schwarze Konten könnten hier niemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Dazu müsste man deren Geschichten schon etwas aufpeppen.

Hinzu kommt der Umstand, dass der Alltag einer Stadt wie Mailand allein schon derart reißerisch daherkommt, dass es schon eine echt fetzige Headline braucht, um dagegen anzustinken.

Ich habe zur Zeit außerdem das Glück, dass sich meine direkte Nachbarschaft derzeit aktiv daran beteiligt, die Interessantheit der Schlagzeilen aufzuwerten. Vorgewarnt war ich bereits etwas, als mir eines Sonntags folgendes widerfuhr:

Nichts (zumindest nichts Böses) ahnend, lag ich gegen halb acht auf dem Sofa und hab mir eine der zahlreichen dümmlichen Sendungen des unfassbar bekloppten italienischen Fernsehens reingetan. Da hör ich aus Richtung Badezimmer ein furchtbar lautes Kratz- und Gehandwerkelgeräusch. Na, denk ich dann so bei mir, der Italiener an sich nutzt den Sonntagabend wohl auch mal ganz gerne zur Verschönerung des Eigenheims. Als nach zehn Minuten der Lärm immer unerträglicher wurde, dachte sich Pippo: Guckt er mal nach. Ins Badezimmer gegangen, hört der Lärm schlagartig, sozusagen mit dem Lichtanknipsen, auf. Hmmm, kam der Lärm aus dem Hof? Mal das Badezimmerfenster aufgemacht. Nanu, waren die Brecheisenspuren auf dem Fensterrahmen schon vorher da?
Unglaublich. Da versucht doch irgend so eine Knallcharge bei mir einzubrechen, während ich zu Hause bin!
Ich stürmte auf den Balkon (wenn man das bei einer Parterrewohnung so nennen kann) und sah noch gerade den unbeholfenen Einbrecherwilli auf seinem Moped davondüsen.

Vorwarnung Nr. 2:

Oder aber als ich fröhlich pfeifend samstagmorgens das Küchenfenster öffne und in das schmuddelige Gesicht eines Sintis Romas ungewaschenen Heckenpenners Zigeuners Schwattoogs blicke, der mit seiner Familie vor meiner Wohnung auf dem Gehweg campt. Moin! Fenster wieder dicht.

Vorwarnung Nr. 3:

Oder aber der Umstand, dass ich auf dem Weg zur Arbeit und wieder zurück der einzige Europäer bin.

Aber ahnen kann man ja auch trotz dieser Vorwarnungen nicht, dass die Chinesen in ihrem Ghetto angestammten Quartier auf einmal revoltieren und mit Steinen auf die Staatsmacht werfen.
Gut, sagt, die Vertreterin der chinesischen Gemeinde gestern im Fernsehen, was will man erwarten? Dass sie die Gesetze einhalten? Aber die kennen sie ja gar nicht! Stimmt, in China ist es ja schließlich auch völlig legal, Polizisten mit Steinen zu bewerfen. Da könnte man als Chinese ja denken, dass man das überall auf der Welt darf.
In Wahrheit haben die Chinesen natürlich sehr wohl die italienischen Gesetze begriffen. Allerdings die ungeschriebenen. Denn das wichtigste ist natürlich, dass überhaupt was los ist, frei nach dem Motto schleswig-holsteinischer Familienfeiern:
Schallt ja wat schnackt war’n.



P.S.: Meine argentinische Arbeitskollegin Adriana hat Foddos von dem Geburtstag meiner Hamburger (Dresdner) Arbeitskollegin gemacht und auf ihren Blog gestellt. Zu sehen sind meine italienischen, portugiesischen, polnischen, argentinischen und deutschen Arbeitskolleginnen. Der Franzose, der Holländer und die Slowakin fehlen. Die Fettbacke mit der Mutantensonnenbrille (nur 7 Euro hinterm Hbf (die Brille, nicht die Fettbacke (die war teurer))) bin ich.

http://katmchanka.blogspot.com/

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